Christiane Loizides: Rede am 26.08.2019 im Stadtparlament

-Erwiderung auf einen AFD-Antrag zur Begrenzung des Zuzugs-

Sehr geehrte Damen und Herren,                                                

in der sog. guten alten Zeit baute man Stadtmauern zur Abwehr von Eindringlingen. Der Zutritt zur Stadt konnte nur durch die wenigen Stadttore erfolgen, die von den Stadtwächtern streng kontrolliert wurden. Damals glaubte man noch, alles im Griff zu haben.

Ach, wie hat sich das doch verändert!

Heutzutage haben wir ein Grundgesetz, das dem Einzelnen Rechte gegenüber der staatlichen Gewalt verleiht, z.B. auf Freizügigkeit! Jeder Deutsche darf danach an jedem Ort Aufenthalt und Wohnung frei wählen, zu den Deutschen gehört nach der Definition im Grundgesetz auch, wer als Flüchtling oder Vertriebener „Aufnahme gefunden hat“(Art. 116).

Und der Zuzug in die Großstädte liegt im Trend! In der letzten Sonntagsausgabe einer Frankfurter Zeitung ist Gutachten basiert dargestellt, dass die Deutschen sich lieber in der Großstadt einschränken, kleinere Wohnungen vorziehen, um die Miethöhe im Rahmen zu halten, als ins billigere Umland zu ziehen. Man verzichtet lieber auf qm Wohnfläche, als auf die Annehmlichkeiten urbanen Wohnens.

Ja, Großstädte liegen im Trend und müssen mit den Problemen, die dadurch entstehen, vernunftvoll umgehen, Zielkonflikte austragen und bewältigen.

Man hört in diesem Zusammenhang oft den Wunsch nach Begrenzung des Zuzugs, zumindest in unsere schöne Stadt Frankfurt! Keiner weiß allerdings so recht, wie das erfolgen soll, Mauerbau ist, wie gesagt, nicht möglich und auch nicht wünschenswert!

 Die  Idee, einfach alles beim Alten zu lassen und zu hoffen, auf diese Weise Zuzugswillige abzuhalten, erfasst nicht die  Gesamtsituation in unserer attraktiven, wirtschaftlich prosperierenden, Stadt mit vielfältigen Kultur – und Bildungsangeboten. Dass dies nicht zielführend sein kann, ergibt sich schon daraus, dass bereits jetzt wegen stark gestiegener Boden - und Mietpreise die Schaffung von mehr Wohnraum erforderlich ist, um Druck aus dem Wohnungsmarkt zu nehmen.

Bedingt durch Zuzug aus dem In- und Ausland sowie einen seit 10 Jahren andauernden Geburtenüberschuss wird bis zum Jahre 2030 ein Bedarf für 90.000 Wohnungen prognostiziert - unter Berücksichtigung des bereits bestehenden Mangels.

Soziale Ausgeglichenheit und eine lebenswerte Stadt müssen aber auch finanziert werden.  Zum Erhalt ihrer Wirtschafts- und folglich Steuerkraft ist Frankfurt auf  die hier ansässigen Unternehmen, welche die Gewerbesteuereinnahmen erwirtschaften, wertschätzend angewiesen. Die Diversität der örtlichen Wirtschaft, von den Banken über das verarbeitende Gewerbe, mittelständische  Handwerksbetriebe, die Digital – und Logistikbranche bis zur Kreativwirtschaft braucht Standorte und Erweiterungsflächen, um im ablaufenden Strukturwandel wettbewerbs – und Innovationsfähig zu bleiben. Ein wesentlicher Faktor in diesem Zusammenhang ist der Bedarf aller an qualifizierten Arbeitskräften.

Arbeitskräfte sind Menschen, die Wohnraum benötigen! Können sie diesen nicht zu angemessenen Bedingungen im Stadtgebiet, der Nähe zum Arbeitsplatz, finden, werden sie zu Pendlern, welche mit den ihnen zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln zum Arbeitsplatz fahren. Die daraus resultierenden Verkehrs – und Umweltprobleme sind allgemein bekannt!

Diese vorhandenen und weiter zu erwarteten Zielkonflikte müssen bewältigt werden.

So hat die schwarz-grüne Regierungskoalition dem Magistrat im Jahre 2014 den Auftrag erteilt, ein integriertes Stadtentwicklungskonzept aufzustellen, um Strategien zu entwickeln, mit denen Frankfurt als Wohn – und Wirtschaftsstandort mit hoher Umwelt - und Wohn- bzw. Aufenthaltsqualität in sozialem Frieden weiterentwickelt und gestaltet werden kann.

Im Rahmen der  derzeitigen Koalition hat unter Federführung von Herrn Stadtrat Josef  der Magistrat diesen Auftrag fortgeführt und nunmehr die entsprechende Magistratsvorlage als M 105 in den Geschäftsgang gegeben. Sie steht heute nicht auf der Tagesordnung, deshalb will ich mich auch nicht inhaltlich darin verlieren. In Parlis ist sie verfügbar, und man kann sehen, dass hier sehr sorgfältig  und unter großem Arbeitseinsatz sowie unter Einbeziehung der Stadtbevölkerung ein Stadtentwicklungskonzept „2030“ erarbeitet wurde, das in Abwägung der betroffenen Interessen Lösungen anbietet. Sowohl  Neubauflächen als auch innerstädtische Verdichtungsräume werden aufzeigt und Konfliktbewältigungsstrategien festgelegt.

Zu den 8 Schwerpunkträumen mit besonders hohen Chancen für die städtebaulich Entwicklung, die in das Konzept aufgenommen wurden,  zählen, das sei heute zum Inhalt angemerkt,  u.a. der neue Stadtteil im Frankfurter Norden, der mittlere Norden im Bereich Ginnheim/Dornbusch/Eckenheim/Preungesheim, die Innenstadt, Griesheim-Mitte und Nied, sowie der Gewerbestandort Sossenheim-Rödelheim.

Der Pfingstberg wurde auf Wunsch von CDU und Grünen nicht in das Innenstadtkonzept aufgenommen. Neben der hohen Bedeutung für  Natur- und Freizeitbelange ist hier eine vernünftige verkehrliche Anbindung nicht darstellbar.

Die acht ins Konzept aufgenommenen Schwerpunktflächen bedürfen weiterer planerischer Prüfungen. So hat die Koalition vor knapp zwei Jahren für das Baugebiet östlich und westlich der A 5 im Frankfurter Norden den Magistrat mit der Durchführung einer vorbereitenden Untersuchung für die ggf. erforderliche städtebauliche Entwicklungsmaßnahme beauftragt, die zahlreiche Fragestellungen erfasst und ergebnisneutral durchzuführen ist. Das hoffentlich in Kürze vorzulegende Gutachten wird dann von den Stadtverordneten zu bewerten sein. Dabei ist davon auszugehen, dass neues Bauland, soweit planerisch möglich und stadtverträglich realisierbar, dringend erforderlich ist, um Druck von dem Mietmarkt zu nehmen. Allerdings hat Stadtrat Josef seinen Wunsch nach Veränderung des 400 – Meter- Abstands einer evtl. Bebauung zu den vorhandenen Stromtrassen im neuen Landesentwicklungsplan nicht durchsetzen können. Zur Beseitigung dieses Planungshindernisses ist folglich ein Zielabweichungsantrag zu stellen, über den am Ende die Regionalversammlung Südhessen zu entscheiden hätte.        Dem Vernehmen nach hat Stadtrat Josef in entsprechenden Sondierungsgesprächen die innovative Idee der Verbandsleitung, rund um das bereits derzeit schon gut erschlossene MTZ auf den Gemarkungen Frankfurt (18,9 ha), Sulzbach (46,4 ha) und Liederbach (3,8 ha) dabei rundweg abgelehnt.

Das ist für die CDU nicht nachvollziehbar! Dieser vernünftige Vorschlag für eine effiziente Baulandentwicklung ist es ebenso wert, in Ruhe und ergebnisoffen geprüft zu werden, wie die sog. Josefstadt!

Irritationen dieser Art sind wenig hilfreich, um ein fruchtbares Klima für eine gemeinsame Lösung des drängenden Wohnungsproblems zu finden! Ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe mit der Region ist vielmehr das Gebot der Stunde!

Das noch von den Stadtverordneten zu beschließende „Integrierte Stadtentwicklungskonzept“ wird  bei der Aufstellung  künftiger Bebauungspläne gemäß einer entsprechenden Vorschrift im Baugesetzbuch „insbesondere zu berücksichtigen“ sein. Damit wird eine transparente und vorhersehbare Leitlinie von großer Tragweite für künftige Planungen geschaffen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!